Bestandteil der Corona-Regelungen ist seit März 2020 in allen Bundesländern ein Verbot von gewerblichen Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen. Das Verbot ist jeweils in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes geregelt, in Berlin ist dies aktuell § 34 Abs. 1 der 3. SARS-CoV-2-InfektionsschutzmaßnahmenVO vom 17. August 2021. Davon sind insbesondere die Betreiber von Clubs und Diskotheken massiv betroffen. Rechtlich werden sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 abs. 1 GG) durch das Tanzverbot massiv eingeschränkt, die Betriebe wurden als Erste geschlossen wurden und dürfen vermutlich erst als Letzte wieder öffnen. Die Einkommensverluste infolge der durch die Schließungen waren und sind massiv. Sie konnten auch durch großzügige Corona-Hilfen häufig nicht aufgefangen werden. Zwar dürfen die Betriebe inzwischen wieder öffnen, allerdings faktisch nur mit „alternativen Nutzungsmöglichkeiten“, etwa als Restaurant oder Lounge unter Beachtung der strengen Hygiene-Regeln - und eben nicht als Tanzlokal. Die Öffnung unter dem alternativen Betriebskonzept konnte ebenfalls (insbesondere unter Berücksichtigung der dann anfallenden Betriebs- und Personalkosten) die Verluste nicht kompensieren, die meisten Betreiber haben deshalb auf eine Wiedereröffnung verzichtet.
Ein Club aus Berlin, der nach wie vor führenden Partyhauptstadt, hat nun in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem VG Berlin das Tanzverbot erstmals erfolgreich gekippt: Das VG Berlin entschied in seinem Beschluss vom 20.08.2021 (Az. VG 14 L 467/21, noch nicht bestandskräftig): Da die Infektionsgefahr für geimpfte und genesene Personen beim Besuch einer Tanzveranstaltung als sehr gering einzustufen sei, sei das generelle Verbot gewerblicher Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen nach § 34 Ab. 1 der 3. SARS-CoV-2-InfektionsschutzmaßnahmenVO als „unverhältnismäßig“ einzustufen und daher mit Art. 12 GG unvereinbar. Zwar bestehe – so das VG - nach wie vor die für den Erlass von Corona-Schutzmaßnahmen erforderliche „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ und das Tanzverbot sei auch grundsätzlich geeignet und erforderlich, um die Verbreitung der Viruslast einzudämmen. Allerdings stünde die geringe Ansteckungsgefahr für Geimpfte und Genesene außer Verhältnis zu den Einbußen, die Clubbetreiber beim Fortbestand des Verbots von Tanzveranstaltungen hinnehmen müssen. Diese Einkommenseinbußen können auch nicht durch den alternativen Betrieb der Diskothek aufgefangen oder auch nur angemessen abgefedert werden.
Das VG hebt i seinem – noch nicht rechtskräftigen – Beschluss hervor, dass der Zutritt nur Genesenen und Geimpften gewährt werden darf, auch die Maskenpflicht bleibt bestehen. Für Getestete seien die Gewährung von Zutritt und Aufenthalt nicht vertretbar, da der Test immer „nur eine Momentaufnahme“ darstellt, Getestete aber keinen erhöhten Schutz vor Ansteckung und schweren Verläufen haben. Für sie besteht die aktuelle Gefahrenlage daher unverändert fort, so dass auch das Verbot der Teilnahme an Tanzveranstaltungen in Innenräumen nach wie vor ihnen gegenüber gerechtfertigt ist.
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Anhand des Maßstabs von Art. 12 Abs. 1 GG wird herausgearbeitet, dass die Berufsfreiheit für Clubbetreiber nicht zeitlich „endlos“ weiter eingeschränkt werden kann, wenn sich die tatsächlichen Gegebenheiten durch Impfungen und / oder überwundene Ansteckungen tatsächlich seit März 2020 längst geändert haben. Infolge dieser tatsächlichen Veränderungen überwiegt nun wieder der Anspruch der Betreiber auf Öffnung ihrer Betriebe für Tanzveranstaltungen, der vor dem Hintergrund der generellen Ansteckungsgefahr zuvor im Rahmen der Abwägung zurückzutreten hatte. Eine Wiedereröffnung der Betriebe mit Zugang für die beiden Risikogruppen „Geimpfte/Genesene“ ist nun angesichts der gestiegenen Impfzahlen dem Betreiber inzwischen auch wieder kostendeckend möglich. Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung des VG Berlin wegweisend (und juristisch korrekt) zwischen den unterschiedlichen Risikogruppen differenziert: Getestete tragen ein ungleich höheres Risiko, selbst zu erkranken und andere anzustecken als Geimpfte und Genesene. Seitdem die Gruppen der Geimpften und Genesenen deutlich angewachsen sind, ist es nicht länger vertretbar, alle Risikogruppen mit denselben strengen Verbotsvorgaben zu belasten. Damit wird zugleich die Richtung gewiesen, in die sich die – voraussichtlich weiterhin erforderlichen – Maßnahmen im Herbst/Winter 2021/2022 weiterentwickeln werden.
Dr. Cathrin Correll